Schulreform – wenn nicht jetzt, wann dann?

Dieser Eintrag ist eine Antwort auf Robert Heinemann im Rahmen einer Diskussion auf Facebook. Die FB-Diskussion ist hier zu finden:

http://www.facebook.com/n/?platz13%2Fposts%2F172285412813201&mid=3983372G5af3358cb127G6cd03fG13&bcode=kxrtN

Weil FB-Diskussionen aber so vergänglich sind und ich glaube, dass wir hier ein Thema am Wickel haben, dass etwas langlebiger sein darf, versuche ich, die Diskussion hierhin zu verlagern. Hoffentlich macht Robert Heinemann mit…

Lieber Herr Heinemann,

Ihre Einschätzung, die Schulbehörde hätte sich mit dieser Reform „verhoben“ teile ich nicht.

Die Reform war und ist nötig, das ist ein Fachkreisen völlig unbestritten. Genauso unbestritten ist der Gedanke von Prof. Bos „wer die Gymnasien abschaffen will, wird abgewählt“. Diese Angst um die eigene Wiederwahl hat unsere Politik die letzten 30 Jahre vor einer ernsthaften Schulreform zurückschrecken lassen, obwohl der brain-drain durch unser gegliedertes Schulsystem inzwischen erkennbar unseren Wohlstand gefährdet.

Dass Frau Goetsch trotz aller Gefahren für ihre Wiederwahl endlich das Thema angefaßt hat, ist ihr in meinen Augen nicht hoch genug anzurechnen. Es war und ist allerhöchste Eisenbahn.

Sie sprechen von angeblich ungeklärten Punkten. Dazu sage ich: wenn die Bude brennt, muss man ‚raus, auch wenn nicht völlig klar ist, was einen da draußen erwartet. Und wenn ich sehe, dass bei uns alljährlich über tausend Kinder qua System frustriert und beschämt werden, dann sage ich: es ist Feuer unter’m Dach. Übrigens ist diese Zahl der Gym-Rückläufer – quasi als VE-Kollateralschaden – im letzten Herbst raketenartig nach oben geschnellt.

Konkret sprechen Sie die Finanzierung der Schulreform an. Dazu möchte ich anmerken: die Schulsenatoren aus CDU, SPD und FDP haben in den letzten Jahrzehnten unsere Schulen schlicht verrotten lassen. Es ist wiederum Frau Goetsch‘ Verdienst, dieses Thema aufgegriffen zu haben und jetzt die Sanierung unserer Schulen gestartet zu haben.

Sie jetzt für die enormen Geldmittel die nach so vielen Jahren der Vernachlässigung erforderlich sind, verantwortlich zu machen ist unredlich und populistisch.

Darüber hinaus: wenn eine Schule unter SPD-FDP-CDU-Schulsenatoren bis zur Nicht-mehr-Sanierbarkeit verkommen ist und deshalb abgerissen und neuerrichtet werden muss, dann kann man sie problemlos so bauen, dass sie fit für die Primarschule wird.

Deshalb sage ich, genau jetzt, wo unsere Schulbauten sowieso umfassend saniert werden mussten wäre der optimale Zeitpunkt für die Einführung der Primarschule gewesen.

Hinsichtlich der Frage nach der „Identität einer jeden Schule“: meinten Sie nicht eher die „Identität der Gymnasien“?

Durch das, was von der Schulreform übrig geblieben ist, bleibt bei allen Schulen, die nicht Gymnasien sind, kein Stein auf dem anderen. Da werden Schulen und Kollegien zusammengelegt. GHR-Schulen, deren Fokus bislang auf Haupt- oder Realschulabschluß lag müssen jetzt auch das Abitur anbieten und das innerhalb kürzester Zeit bei den Anmelderunden den Eltern glaubhaft machen. Das alles rüttelt die Identität all dieser Schulen, die sich jetzt „Stadtteilschulen“ nennen müssen mächtig durch.

Darf ich Sie also so verstehen, dass Sie froh sind, dass die Identität der Gymnasien durch den VE „gerettet“ wurde, auch wenn dadurch jetzt noch viel mehr Kinder leiden müssen?

Mit freundlichen Grüßen
Robert Schneider

4 Responses to Schulreform – wenn nicht jetzt, wann dann?

  1. Lieber Herr Schneider,

    es tut mir leid – aber hier haben Sie jetzt so viel Unsinn geschrieben, dass ich nicht auf alle Details eingehen werde.

    Nach den PISA-Studien sind die Leistungen in den meisten vergleichbaren Länder in Europa schlechter als in Deutschland nicht besser. Und was es benachteiligten Schülern bringt, wenn Kinder in Nienstedten zwei Jahre länger unter sich bleiben, habe ich bis heute nicht verstanden.

    Wenn wir den benachteiligten Schülern helfen wollen, müssen wir so früh wie möglich anfangen – aber Dank der Kosten für die Schulreform haben wir den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz nicht vorziehen können und mussten die Kitagebühren erhöhen (das ist der gleiche Betrag, der für den Schulkompromiss mit der SPD aufgewendet wurde). Das Geld ist zwar jetzt im System Schule (dafür bin ich dankbar) aber eben nicht im System Kita – man kann es halt nur einmal ausgeben.

    Zum Thema Identität: Auch viele Gesamtschulen und GHR-Schulen hatten eine Identität, die von 1 bis 13 oder von 1 bis 10 reichte.

    Und zum Thema Sanierung: Es war die CDU, die mit dem Modell „Hamburg Süd“ die Sanierungen gestartet hat. Wenn Sie glauben, dass in Hamburg alle Schulbauten ohnehin bald abgerissen werden müssten und man daher auch einfach neue Schulen bauen könnte, haben sie bislang nur wenige Schulen gesehen und leider offenbar nicht ansatzweise eine Idee von den mit Abriss und Neubau verbundenen Kosten.

    Viele Grüße

    Robert Heinemann

    • Robert Schneider sagt:

      Lieber Herr Heinemann,

      vielen Dank, dass Sie sich auf die weitere Diskussion in diesem Blog einlassen!

      Ich denke nicht, dass ich Unsinn geschrieben habe, bin aber entsetzt über Ihre Einschätzung der deutschen Pisa-Ergebnisse und die Art, wie Sie sich Herrn Dr. Scheuerls Versuch, diese neu zu interpretieren zu eigen machen. Meines Erachtens sollten wir – Rechtsanwalt, Politiker oder Programmierer – uns hüten, Dinge besser wissen zu wollen, als die, die das den ganzen Tag machen. Und wenn diese Fachleute in großer Einigkeit sagen, unsere Pisa-Ergebnisse seien nicht gut, dann kann man davon ausgehen, dass sie nicht gut sind.

      Erlauben Sie mir aber, konkret auf Ihren Hinweis einzugehen, die Pisa-Leistungen in Deutschland seien nicht schlechter, als die der meisten Länder in Europa.

      Zum Einen habe ich da natürlich den Einwand, dass wir als ressourcenarmes Land darauf angewiesen sind, dass unsere Kinder top sind, nicht gutes Mittelmaß.

      Zum Anderen der Hinweis von mir, dass sich dieses Bild von „nicht schlechter“ stark relativiert, wenn man sich nicht die Mittelwerte ansieht, sondern die top- und bottom-Enden. Wenn man das tut, dann wird’s richtig gruselig

      Ich habe versucht, das in einem Dokument zusammenzufassen: http://www.ps-rs.de/L-Tern/PISA2006-PerzentilbandAusschnitte.pdf

      Insbesondere die Hamburger Schüler schneiden an beiden Enden echt schlecht ab.

      Die Hamburger Spitzenschüler liegen mit ihren Leistungen klar unterhalb denen in Finnland, Neusseland und Kanada. Sie werden sogar noch von polnischen Schülern überrundet. Da drängt sich mir die Frage auf, warum es unsere ganzen „-eum“s nicht schaffen, ihre Schüler in diese Spitzengruppe zu bringen. Dass Hamburger dümmer sind, als Finnen oder Polen kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.

      Und was den linken Rand angeht: hier herrscht das blanke Entsetzen. In der Lesekompetenz rangeln unsere bottom 10% mit Italien und Mexiko um die Plätze. Gegenüber allen anderen europäischen Staaten sind sie deplaziert, spielen einfach in einer anderen Liga.

      Herr Heinemann, das ist _nicht_ gut!

      Unsere Schule vermag es nicht, Spitzenleistungen zu triggern und sie läßt einen substantiellen Teil der ihr anvertrauten Kinder verkommen.

      Was es benachteiligten Kindern bringt, wenn sie nicht mit 10 Jahren aussortiert werden? Müssen wir das wirklich diskutieren?

      Zu Ihrer etwas süffisanten Bemerkung über die Kinder in Nienstedten: beim Lesen fiel mir Herrn Dr. Scheuerls putzige Forderung ein, dass es den Kindern aus benachteiligten Stadtteilen doch erlaubt sein müsse, diesen möglichst frühzeitig zu entfliehen. Meine Frage, was er sich denn für die Kinder vorstellte, die diese Flucht – aus was für Gründen auch immer – nicht schafften, hat er leider nie beantwortet.

      Herzlichst
      Robert Schneider

  2. Sava Stomporowski sagt:

    Die Diskussion kann man auch etwas schlichter auf einen Nenner bringen: „Was schert mich das Ergebnis des Volksentscheides und des ‚Elternwillens‘, solange ich das erreicht habe, was ich im Kern wollte: Primarschule verhindern.
    Rückblick:
    Die Aufhebung des ‚Elternwillens‘ hat die CDU in den Koalitionsvertrag diktiert (ich meine es war Robert Heinemann als damaliger bildungspolitischer Sprecher der CDU – anyway), weil sie Angst hatte, die Gymnasien könnten ‚überflutet‘ werden.
    Herr Scheuerl ergreift die Gelegenheit und macht dagegen mobil „Elternwille“ muss sein. Aber sie wollen eigentlich nur eins verhindern: die Primarschule und wirkliche Strukturreformen.
    Da inszeniert der CDU-Freund Walter Scheuerl einen Volksentscheid und kocht das Thema ‚Elternwillen‘ auf.
    Jetzt wo sie die Primarschule gestoppt haben, kann man den ‚ELternwillen‘ wieder zurück nehmen. Die Gymnasien sollen schließlich nicht zu einer neuen Art der Gesamtschule werden und schwupps murksen sie da wieder eine Empfehlung hinein. Elternwille? Fehlanzeige. Es war Kalkül und Mittel zum Zweck. Ein genialer Schachzug. Strategisch brilliant – aber eiskalt.

  3. […] This post was mentioned on Twitter by Wahlen 2009. Wahlen 2009 said: RT @SavaStomp: Schulempfehlungen: #CDU, #Scheurl (#WWL) umgeht Elternwillen. http://bit.ly/h5uJCl #-wahlen #SPD #GAL #Grüne #Bildung #Schul […]

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